Hypnose und Psychoneuroimmunologie in der Psychoonkologie -
Magisches Denken im Mantel wissenschaftlicher Erkenntnisse

(Textausschnitte)


Dr. Hansjörg Ebell


Erkenntnisse der Psychoneuroimmunologie werden meist dazu herangezogen, um "Spontan"-Remissionen bei Krebserkrankungen zu erklären, die in keinem erkennbaren, kausalen Zusammenhang mit therapeutischen Maßnahmen stehen. Der Anteil immunologischer Faktoren bei solchen erstaunlichen Verläufen ist jedoch nicht nur unbekannt, sondern bei einigen Krebsarten auch sehr unwahrscheinlich, da bei diesen (bekannte) immunologische Vorgänge keine Veränderungen aufweisen.

Die metaphorische Verwendung möglicher psychoneuroimmunologischer Zusammenhänge für Visualisierungsübungen (auch in der Hypnotherapie) ist Bestandteil vieler zeitgenössischer, psychosozialer Unterstützungsangebote für Krebspatienten (z.B. auch im Counselling-Programm von Carl Simonton). Selbst unter der Voraussetzung einer nachgewiesenen klinischen Wirksamkeit solcher Analog-Vorstellungen (wie z.B. bei den Bemühungen, Schmerzen oder übelkeit unter Kontrolle zu bringen) wären solche Zusammenhänge fürs erste nur statistisch korreliert, aber noch kein Beweis für eine unmittelbare Umsetzung solcher Imaginationen in ein physiologisches Geschehen. Versprechungen, durch übungen dieser Art Krebserkrankungen heilen zu können, verlassen das Feld selbstkritischer überlegungen und auch notwendiger Spekulationen zu diesem Thema: Sie sind unseriös.

Solange es "funktioniert", scheint diese Spielart des sehr vereinfachenden, "positiven Denkens" auch eine Unterstützung zu sein. Die fatale Kehrseite dieses reduktionistischen Suggestionskonzepts taucht aber spätestens dann auf, wenn ein Patient nicht (mehr) damit zurecht kommt oder annimmt, etwas falsch zu machen. Im Extremfall fühlt er sich dann sogar dafür schuldig, dass er die Krebserkrankung "nicht in den Griff bekommen hat" oder das Rezidiv nicht verhindern konnte.

Doch damit nicht genug! Wenn Patienten das Prinzip einer direkten Transmission "positiver" Gedanken durch Fremd- oder Autosuggestion durch entsprechende Unterweisungen von ihren Therapeuten oder durch eigene Schlussfolgerungen übernommen haben, können sie vollends erpresst werden durch die Phantasie, dass auch ihre "negativen" Gedanken zu Leiden und Tod, die von ihrer Verzweiflung geprägt sind, sie - über den gleichen Transmissionsriemen sozusagen! - immer tiefer in die Katastrophe hineinschicken könnten.
Selbst wenn wir als Therapeuten daran glauben, dass solche Zusammenhänge in nennenswertem Maß am Verlauf einer Krebserkrankung beteiligt sein könnten, ist es unsere Aufgabe und Pflicht, die Patienten aus dieser furchtbaren seelischen Zwickmühle hinauszubegleiten.

Eine verantwortungsvolle, hypnotherapeutische Arbeit mit den Kräften der Hoffnung ist ganz sicher hilfreich. Dies sollte aber nicht verwechselt werden mit der ausgesprochenen oder unausgesprochenen Versprechung einer Wunderheilung. Sog. "Wunder" sind definitionsgemäß extrem selten - aber auch bei einer Krebserkrankung gibt es sie. Auch wenn wir meinen, sie mit dem Wissen der Psychoneuroimmunologie erklären zu können, so bleiben es Geschehnisse, die wir - sollten wir sie erleben dürfen - als Beteiligte ehrfürchtig zur Kenntnis nehmen sollten. Wir können sie aber nicht, mit welcher Therapie auch immer - und ganz sicher auch nicht mit Hypnose - erarbeiten.



Publikation in Experimentelle und Klinische Hypnose 12 (2), 91-105, 1996.
Auf Grundlage des Vortragstexts: "Psychoneuroimmunologie: Zum Stellenwert der Hypnotherapie in einem Gesamt-Therapiekonzept",
gehalten im Rahmen des Symposiums "Hypnose und Krebs" auf der 16. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Hypnose in Bad Lippspringe am 17.11.94, zu der auch Carl Simonton eingeladen war.