Vorwort der Herausgeber
Warum therapeutische Hypnose? Warum ein Hypnosebuch nur mit Fallgeschichten - mit sehr individuellen und unterschiedlich gestalteten Antworten aus der ärztlichen und/oder psychotherapeutischen Praxis auf diese Frage?
Unser Buch verdankt seine Entstehung verschiedenen Überlegungen: zum einen wollten wir authentische Berichte aus dem professionellen Therapiebereich über das erstaunliche therapeutische Potential der Phänomene, die wir heute mit dem historischen Etikett "Hypnose" versehen, möglichst vielen Menschen zugänglich machen. Diese Fallgeschichten aus Klinik und Praxis veranschaulichen, wie scheinbar einfach und unmittelbar in einer therapeutischen Beziehung das gesprochene Wort ("Suggestionen") Leiden lindern kann und wie bei vielfältigen äußerst komplexen seelischen, psychosomatischen und körperlichen Problemen das Erleben in Hypnose wesentliche Veränderungen ermöglicht bzw. individuelle Lösungswege aufzeigen kann; zum anderen soll möglichst vielen Therapeutinnen und Therapeuten unterschiedlicher Fachrichtungen die Möglichkeit gegeben werden, anschaulich darzulegen, warum sie die Verwendung von Hypnose in bestimmten Situationen bzw. bei bestimmten Problemen (Diagnosen, Erkrankungssymptomen usw.) in ihrem Therapiekonzept für wertvoll und wichtig halten.
Wir freuen uns, in dieser ersten Ausgabe von "Warum therapeutische Hypnose" 47 Falldarstellungen (52 Therapiegeschichten) präsentieren zu können, in denen "Hypnose" (was immer damit im Einzelfall als solches benannt wurde) Erstaunliches bewirken konnte. Art und Umfang der Fallschilderungen sind erwartungsgemäß sehr unterschiedlich ausgefallen. Wir haben uns bemüht, das Lektorat auf notwendige Klarstellungen, Kürzungen oder Umstellungen im Hinblick auf einen vergleichbar strukturierten Aufbau jeder Kasuistik zu beschränken.
Vor zwei Jahren haben wir namhafte Kolleginnen und Kollegen, bekannt durch Lehrbuchbeiträge sowie als Ausbilder und Supervisoren, angeschrieben. Viele sind als Autorinnen und Autoren mit dabei, manche konnten - trotz großen Interesses - wegen anderer arbeitsintensiver Projekte nicht mitmachen. Wir haben darüber hinaus Kolleginnen und Kollegen, von denen wir im Rahmen ihrer Fort- und Weiterbildung erfahren hatten, dass sie wesentliche therapeutische Veränderungen erzielt haben, persönlich aufgefordert, diese Berichte als Fallvignetten auszuarbeiten und beizusteuern. Einige Beiträge erhielten wir auch durch die Vermittlung angeschriebener Autoren. Wir meinen, dass dabei insgesamt eine gute Mischung aus vielen Bereichen von Medizin und Psychotherapie - mit Problemen bzw. Herausforderungen, die für die therapeutische Praxis alltäglich und relevant sind - herausgekommen ist.
Wir hoffen, dass sich viele Ärzte und Psychologen dadurch anregen lassen, sich genauer mit der wissenschaftlichen bzw. therapeutischen Hypnose zu befassen und die immer noch gängigen Vor-Urteile auf der Grundlage spektakulärer Effekthascherei der Bühnenhypnose zu überwinden. Der angebotene "Blick in die Werkstatt" soll Raum dafür geben - gestützt und belegt durch therapeutisch relevante Veränderungen im präsentierten Fall - aufzuzeigen, mit welch unterschiedlichen praktisch-klinischen und konzeptionellen Auffassungen wir es heute zu tun haben, wenn man hört und liest, dass "Hypnose" professionell angewandt wurde.
In allen Beiträgen ist das Vertrauen in das therapeutische Potential der "Hypnose" spürbar: verwendet wird dieser Begriff sowohl im Sinne einer Anwendung als "Technik" (Therapeutenperspektive) als auch im Hinblick auf die Ressourcen des Zustandes "in Hypnose" (Patientenperspektive). Verbunden ist dies jeweils mit einer selbstkritischen Reflexion auf dem Hintergrund eines professionell-wissenschaftlich vertretbaren und klinisch angemessenen Gesamt-Behandlungskonzepts für die vorliegende Störung. Vielleicht ergibt sich insofern ein "schiefes" Bild, als meist Außerordentliches berichtet wird. Dem Laien sei jedoch versichert, dass bei der professionellen Anwendung von Hypnose "auch nur mit Wasser gekocht wird" und dass in der täglichen Routine wenn, dann kleine Erfolgserlebnisse vorherrschen und viele Interventionen auch wirkungslos verpuffen. Aber es ist gut zu wissen, dass solch erstaunliche Effekte möglich sind. Mit diesen anschaulichen und ausführlichen Schilderungen des Vorgehens meinen wir, selbst erfahrenen Hypnosetherapeuten und interessierten Laien eine wichtige Ergänzung anbieten zu können zu den vielen Büchern und Artikeln mit Ausführungen auf konzeptioneller und/oder wissenschaftlicher Ebene.
Die Fallgeschichten sind weitgehend einheitlich gegliedert und grafisch gestaltet. Jeder Bericht beginnt mit einer knappen Zusammenfassung - diese und der beschreibende Untertitel des Beitrags erlauben dem Leser eine schnelle Orientierung, für welches Problem bzw. welche therapeutische Herausforderung Hypnose angewandt wurde. Nach einer mehr oder weniger ausführlichen Schilderung der Ausgangssituation sind die "eigentlichen" Hypnosepassagen - was hat die Autorin, der Autor konkret gesagt und getan - mit hellem Grau unterlegt und meist in wörtlicher Rede wiedergegeben. Im Anschluss daran folgt eine knappe oder längere Evaluation der Resultate des therapeutischen Vorgehens, zum Teil verbunden mit konzeptionellen Überlegungen über den konkreten Fall hinaus.
Für die Gliederung des Buches haben wir vier Schwerpunkte der Präsentation gewählt, auch wenn viele Beiträge mehrere Aspekte bzw. Perspektiven beinhalten:
- In einem ersten Teil ( I Medizinische Hypnose) haben wir die Fälle zur Verwendung von Suggestionen und Hypnose-Techniken im medizinischen Setting zusammengefasst - mit eindeutigem Schwerpunkt auf der professionellen Verantwortlichkeit der Therapeutinnen und Therapeuten, aber auch mit erstaunlichen Fähigkeiten auf der Seite von Patientinnen und Patienten. In der Literatur findet man diese Berichte meist unter dem Oberbegriff der Klinischen oder Medizinischen Hypnose.
- In einem zweiten Teil (II Zahnmedizinische Hypnose) folgen Beispiele aus der Zahnmedizinischen Hypnose.
- In einem dritten Teil (III Hypnose in Psychosomatik und Psychotherapie) folgen Berichte mit Schwerpunkt auf der Verwendung von Hypnose- bzw. Trance-Phänomenen in einer Zusammenarbeit auf der Beziehungsebene vor komplexen, psychosomatischen Hintergründen bzw. in einem psychotherapeutischen Arbeitsbündnis von Therapeuten und Klienten.
- In einem vierten Teil (IV Hypnose mit Kindern und Jugendlichen) haben wir die Fallgeschichten über die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen zusammengefasst. In allen Abschnitten sind die Beiträge alphabetisch nach Autorennamen angeordnet. In einem Nachwort werden einige grundsätzliche Überlegungen zur therapeutischen Hypnose formuliert.
Wir hoffen, dass am Ende der Lektüre dieses Buches für unsere Leserinnen und Leser aus dem Fragezeichen hinter "Warum therapeutische Hypnose" ein neugieriges und kritisch aufmerksames Ausrufezeichen geworden ist. Anregungen und Kritik zum Konzept des Buches bzw. Angebote von Fallgeschichten für eine spätere, überarbeitete Neuauflage nehmen die Herausgeber gerne entgegen. Selbstverständlich liegt die Verantwortung für die Authentizität der Schilderung bzw. für die entsprechende Verfremdung der persönlichen Patientenangaben (straf- und zivilrechtlich relevante Wahrung von Persönlichkeitsrechten) ausschließlich bei der jeweiligen Autorin oder dem Autor der einzelnen Beiträge.
Wir danken Frau Neureuther vom Pflaum-Verlag für die großzügige Unterstützung dieses Buchprojektes. Dass es handgreiflich real für den Leser zustande gekommen ist, ist jedoch letztendlich Ursula Ebell zu verdanken. Sie hat die immense Arbeit eines sorgfältigen und aufwändigen Lektorats der 47 Beiträge auf sich genommen. Obwohl oder gerade weil sie nicht hypnotherapeutisch ausgebildet ist, hat sie ihre Gabe, komplexe Zusammenhänge zu erfassen und auf den Punkt zu bringen, sowie Formulierungen durch kleine Änderungen zu schärfen, ohne die Intentionen und den Schreibstil der Autoren zu verwässern, zum guten Geist dieses Buches werden lassen. Dafür und insbesondere für die viele, investierte Zeit gebührt ihr unsere Anerkennung und unser ganz besonderer Dank.
Die Herausgeber
Hansjörg Ebell
Hellmuth Schuckall München, im Juni 2004