Nachwort
Hansjörg Ebell41 Autorinnen und Autoren berichten in diesem Buch Erstaunliches. In ihren Falldarstellungen beschreiben sie, wie sich Wesentliches verändern konnte. Sie konnten in ihren Berufsfeldern - Medizin, Zahnmedizin, Psychosomatik und Psychotherapie - sehr unterschiedliche körperliche und seelische Störungen und Erkrankungen überraschend wirksam beeinflussen. Ihr gemeinsames Erklärungsmodell dafür ist die Hypnose.
Wir, die Herausgeber, haben renommierte und uns persönlich bekannte Therapeutinnen und Therapeuten aufgefordert, das Schwierige zu versuchen: Schlicht zu beschreiben, was sie in der Therapie gesagt, getan und beobachtet haben. Erst auf dieser Grundlage sollte erklärt werden, was daran der Hypnose oder auch anderen Behandlungskonzepten zuzuordnen ist. Auch wenn die berichteten z.T. erstaunlichen Veränderungen mit der Verwendung eines therapeutischen Instrumentes namens "Hypnose" in Zusammenhang gebracht werden, ist dies eher eine phänomenologische Beschreibung als eine Erklärung. Das Wort Hypnose ist aus dem Griechischen abgeleitet und bedeutet Schlaf. Als erstem "wissenschaftlichen" Erklärungsmodell eines Arztes aus dem 19. Jahrhundert (1) lag die Annahme zu Grunde, dass ein Mensch bzw. bestimmte Teile seines Gehirns "in Schlaf" versetzt würden ("neurhypnology"). Auch wenn wir heute "wissen", dass eine höchst komplexe Funktionsweise des Zentralnervensystems zu Grunde liegt, die mit Wachsein vermutlich genau so viel oder wenig zu tun hat wie mit Schlaf, hat sich diese Bezeichnung erhalten.
Wenn also durch das, was wir Hypnose nennen, in so vielen authentischen Einzelfällen und unter so unterschiedlichen Voraussetzungen so viel bewirkt werden konnte, kann dies damit verallgemeinert werden? Ja und Nein. Ist die Hypnose so etwas wie ein Allheilmittel, eine magische Kur? Sicherlich nicht. Aber: Alleine die Möglichkeit solcher erstaunlichen Veränderungen sollte doch eigentlich jeden Kliniker und Forscher elektrisieren und neugierig machen, ganz gleich, wie und ob wir es uns letztendlich erklären können.
Unser Anliegen als Herausgeber war von vornherein nicht, uns mit diesem Buch auf der Ebene möglicher Erklärungsmodelle (2) an der Fachdiskussion zu beteiligen oder die geschilderten Erfahrungen auf dem Hintergrund der aktuellen Lehrmeinung (3,4) sowie Forschungs- und Studienergebnissen (5) zu präsentieren. Wir wollen interessierten Fachleuten und Laien durch diese detaillierten Fallgeschichten das klinisch bedeutsame therapeutische Potential der Hypnose nahe bringen. Wir hoffen, dass dadurch nicht nur Vor-Urteile überwunden werden können, sondern auch das Interesse für eine professionelle Fort- und Weiterbildung auf diesem Gebiet geweckt wird.
Unser Blickwinkel wird durch unsere Tätigkeit als ärztliche Psychotherapeuten (6) bestimmt. Der Schwerpunkt unserer Praxis liegt auf der Begleitung und Behandlung von Patienten mit langjährigen chronischen Erkrankungen bzw. Störungen. Wir wissen um die Begrenztheit unserer Einflussmöglichkeiten - medizinische Diagnostik und Therapie, Psychotherapie und Hypnose mit eingeschlossen. Wir wissen aber auch um erstaunliche Fähigkeiten und Möglichkeiten unserer Patienten, wenn Vorschläge (Suggestionen) und Interventionen zum richtigen Zeitpunkt zu wirksamen Impulsen bzw. Auslösern für entscheidende therapeutische Veränderungen werden. Wir haben öfters erlebt, dass dann selbst jahrzehntelang eingeschliffene körperliche und seelische Regulationen eine sog. "Änderung zweiter Ordnung" (7) erfahren können. Sind es in solchen Fällen die Fähigkeiten und Ressourcen unserer Patienten? Waren es unsere besonderen Fähigkeiten der Anwendung von Hypnose als Technik oder die besondere Qualität der therapeutischen Beziehung? Sicher von allem etwas und noch vieles mehr (z.B. der "richtige" Zeitpunkt, zu dem ein komplexes System beeinflussbar ist, bzw. im Sinne seiner Homöostase einen günstigeren Zustand erreichen kann). Selbstkritisch muss man natürlich ergänzen, dass solche "Wunder" definitionsgemäß selten sind. Sicherlich kann man sie auch nicht "machen" - schon gar nicht jederzeit. Aber es gibt sie.
Das große Problem bei "Wunder"-Geschichten - auch in diesem Buch werden vermutlich einige so wirken - ist die Annahme einfacher Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge. Eine solche Annahme ist selbst dann naiv und unzutreffend, wenn eine bestimmte Hypnosetechnik, die in einem Fall geholfen hat, auch in einem ähnlichen Fall mit gleicher Diagnose wirksam und zuverlässig helfen sollte. Die Wirkzusammenhänge sind sicherlich überaus komplex. So können wir aus den Berichten - in einigen wird es direkt angesprochen - auch nur einen Bruchteil des tiefgreifenden Erlebens der Betroffenen erahnen. Vielleicht liegt das Geheimnis in der Qualität der Beziehung.
Heutige wissenschaftliche Auffassungen schließen ausdrücklich mit ein, dass minimale Veränderungen globale Auswirkungen haben können. So wird in einem berühmten Beispiel davon ausgegangen, dass die Turbulenzen des Flügelschlags eines einzelnen Schmetterlings dazu führen könnten, dass sich die Großwetterlage verändert. Zu Recht würden wir jedoch den Schmetterling belächeln, der aufgeregt herumflattert und behauptet, dass er gerade dabei sei, die Großwetterlage zu verändern. Aber: Es gibt Bereiche (z.B. in der Zahnmedizinischen und Medizinischen Hypnose), in denen solche oder ähnliche Zusammenhänge für einen großen Teil der Patienten genutzt werden können. Erfahrenen Therapeuten ist es sehr wohl möglich, Hypnose als tägliche Routine zu verwenden (8). Viele hundert Zahnärztinnen und Zahnärzte haben sich z.B. in Deutschland und Schweden dazu in Hypnose-Fachgesellschaften zusammengeschlossen.
Was nennen wir Hypnose? Der Begriff wird mehrdeutig gehandhabt. Es wird zum einen damit ein Zustand benannt, d.h. eine Person ist "in" Hypnose. Er bezeichnet zum anderen auch sehr unterschiedliche Techniken, d.h. eine Person arbeitet "mit" Hypnose bzw. verwendet diese. Meist wird auch gleichbedeutend davon gesprochen, dass man "Trance"-bzw. Hypnose-Phänomene "utilisiert" (verwendet). Trance ist definiert als "Zustand veränderten Bewusstseins" (Altered State of Consciousness / ASC), um deutlich zu machen, dass es sich hier um eine besondere Wahrnehmungsqualität zwischen Wachsein und Schlaf handelt. Zur "Trance" gehört aber auch Vieles, was jeder intensiven zwischenmenschlichen Kommunikation zueigen ist und prinzipiell in allen Varianten des ärztlichen Gespräches und der Psychotherapie eine zentrale Rolle spielt.
Die Hypnose umfasst ein breites Spektrum von Phänomenen: Suggestionen werden strikt befolgt (Suggestibilität), trotz chirurgischer Verletzungen tut`s nicht weh (Analgesie) und/oder blutet nicht, früheste Erinnerungen werden so lebhaft wie aktuelles Erleben (Altersregression), während anderes auf Anweisung vergessen wird (Amnesie) u.v.a.m. Manches davon kann sehr wohl auf der Bühne eindrucksvoll zur Unterhaltung des Publikums dienen - in unserem Zusammenhang interessieren aber die Phänomene, die therapeutisch verwendet werden können (9).
Erstaunlich und außerordentlich irritierend ist dabei, dass es genauso einfach sein kann, wie es auf den ersten Blick scheint: Eine Person behauptet etwas für den kritischen Verstand einer anderen Person sehr Unsinniges - und die Suggestionen werden trotzdem präzise ausgeführt. Dies reicht von komplexen Verhaltensweisen bis hin zu objektiv messbaren physiologischen Veränderungen. Viele Menschen sind in diesem Sinne mittel- bis hoch-suggestibel. Insbesondere unter bestimmten Bedingungen (eigene Erwartungshaltung sowohl bei der Bühnenhypnose als auch im Rahmen einer ärztlichen, zahnärztlichen oder psychotherapeutischen Behandlung) lassen sich diese Menschen mit einfachen, direktiven Techniken in Hypnose versetzen bzw. befolgen gegebene Suggestionen zuverlässig. Auch wenn es sich sicher um "Fiktionen" handelt, hat es für die Person in Hypnose doch "reale" Erfahrungsqualität. Es ist nahe liegend, dass sich ein Patient oder Klient, der sich einem Therapeuten anvertraut, darauf verlassen können muss, dass dieser sein Handwerk beherrscht und professionelle und ethische Regeln strikt einhält. Auf dem Gebiet der Medizin, Zahnmedizin und Psychotherapie ist darum eine Aus- und Weiterbildung durch anerkannte Lehrtherapeuten der Hypnose-Fachgesellschaften eine unabdingbare Voraussetzung für die Anwendung von Hypnose.
Bei der Lektüre der Fallberichte dieses Buches kann ein zentraler therapeutischer Faktor deutlich werden: jegliche Zusammenarbeit bedarf einer therapeutischen Beziehung, auch wenn diese durchaus unterschiedlich gestaltet wurde. Gründe für diese Vielgestaltigkeit gibt es unzählige: Die Persönlichkeit der Beteiligten, die vorliegende Störung bzw. Erkrankung, die Situation, in der die Hypnose stattfindet u.v.a.m. Keine Interaktion mit und in Hypnose ist vermutlich wirklich vergleichbar. Und doch kann sie so wirksam sein. Es ist darum zu vermuten, dass - auch wenn die professionelle Verwendung der Techniken zu betonen ist - sich ihre Bedeutung oft relativiert, wenn in der therapeutischen Situation günstige Faktoren auf einer Beziehungsebene zum Tragen kommen - wenn es einfach "stimmt".
Diesem Gedanken folgend, können die Fallgeschichten auf einem gedachten Kontinuum zwischen zwei Polen auf einer Linie angeordnet werden: Einer bestimmenden Autoritätsposition, eingenommen durch den Therapeuten (traditionelles Suggestionskonzept der Medizinischen und Zahnmedizinischen Hypnose) am einen Ende und weitgehender Übernahme der Initiative durch den "Behandelten" (Selbsthypnose) am anderen Ende. Dazwischen befinden sich viele andere Formen der Kooperation der Beteiligten mit fließenden Übergängen von einer strukturiert anleitenden Arbeit mit Hypnose-Phänomenen bis hin zum Aufgreifen mehr oder weniger spontan aufgetretener Phänomene durch den Therapeuten. Alles dient dem vereinbarten jeweiligen Therapieziel auf der Grundlage eines "Arbeitsbündnisses".
Ich gehe davon aus, dass "in" Hypnose bzw. "mittels" Hypnose (Technik) zwischen den Beteiligten eine spezifische "Nähe" (10) hergestellt werden kann und/oder entsteht. Vermutlich eine ähnliche Qualität der Kommunikation, wie sie von einigen Psychoanalytikern auf dem Hintergrund der Selbst-Psychologie als Wirkgrundlage ihrer Methode diskutiert wird (11,12). Dieser intensive "intersubjektive" Austausch ist vermutlich für die erstaunlichen subjektiven und objektiven Veränderungen wesentlich. Heutzutage wird (auch von den Autorinnen und Autoren dieses Buches) dieser so besondere Austausch eben Hypnose genannt.
Seit Jahrtausenden sind die Formen eines solch verändernd wirksamen Austausches spezifisch kulturell geprägt und ritualisiert: von schamanistischen Zeremonien und dem von Göttern (Priestern) geschickten Heilschlaf in den Asklepios-Tempeln der griechischen Antike bis zum nicht-physikalischen Magnetismus des Franz Anton Mesmer, dem "Vater" der historisch nachfolgenden Hypnose. Die von uns präsentierte weitgehend demystifizierte Vorstellung von der Hypnose als vielfältigem ärztlichen und/oder psychotherapeutischen Arbeitsinstrument steht sehr wohl in dieser Tradition des Heilens.
Bei allen Unterschieden in der berichteten Vorgehensweise der Autoren, lassen sich einige Punkte festhalten, die wesentliche Elemente einer zeitgenössisch-professionellen Anwendung der therapeutischen Hypnose sein sollten. Sie ermöglichen uns Ärzten und Psychotherapeuten mit jahrelanger professioneller Ausbildung heute am ehesten den pragmatischen Zugang zu dem archaischen, physiopsychologischen Veränderungs- und Heilungs-Potential der menschlichen Spezies (13).
Wesentliche Elemente der therapeutischen Hypnose
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Rapport und Arbeitsbündnis
Durch Vorgespräche sollte eine möglichst klare Vereinbarung erzielt werden, wozu die Hypnose dienen soll. In einer medizinischen und zahnmedizinischen Behandlungssituation (insbesondere bei Notfällen und Krisen) sind dafür die "normalen" Behandlungsziele Ausschlag gebend. Im psychosomatischen und psychotherapeutischen Kontext sollten Vorurteile und Missverständnisse thematisiert werden können, um eine vertrauensvolle Beziehung herzustellen. Alle verbalen und nonverbalen Informationen, die in diesem ersten Austausch gewonnen werden, werden eingesetzt, um die induzierten oder spontan auftretenden Trance-/Hypnose-Phänomene individuell maßgeschneidert zu verwenden (utilisieren). -
Induktion
Unzählige Techniken (von sehr direktiven, befehlsartigen bis hin zu unauffälligen, in eine Konversation eingestreuten Suggestionen) dienen dazu, die Aufmerksamkeit des Patienten / Klienten "nach innen" zu fokussieren. -
Vertiefung
Qualität und Intensität der verbalen und nonverbalen Suggestionen (z.B. Körperhaltung, Stimmlage, Sprachrhythmus u.v.a.m.) sind darauf ausgerichtet, die Trance-/Hypnose-Erfahrung so zu intensivieren (vertiefen), dass alles andere immer unwichtiger wird. Dadurch können eine gewünschte Empfindung (z.B. zur Schmerzkontrolle), ein gewähltes persönliches Thema u.v.a.m. immer mehr ins Zentrum der Aufmerksamkeit gerückt werden. Die "Realität" (z.B. das Leiden an den Symptomen einer Erkrankung) gleitet dadurch immer weiter in die Peripherie der Aufmerksamkeit - bis zu dem Punkt, dass sie letztlich gar nicht mehr wahrgenommen wird. -
"Dissoziation"
Typisch für die Trance-Wahrnehmung ist die Gleichzeitigkeit des Erlebens in Außenwelt und Innenwelt - auf bewusster und nicht bewusster Ebene. Der hinterfragende Anteil der bewussten Aufmerksamkeit kann dazwischen hin und her gehen, zumindest soll er die außerordentliche Konzentration auf etwas Bestimmtes tolerieren. Je "tiefer" die Absorption in diesem Erleben ist, um so eher kann sich der bewusstseinsnahe kritische Anteil noch weiter zurück ziehen, sich mit etwas anderem beschäftigen oder sogar "schlafen" legen (da hätten wir dann die "Hypnose" im wörtlichen Sinne doch noch untergebracht). Es ist nahe liegend, dass ein solch dynamischer Zustand des "unkritischen" Folgens nicht nur das Ergebnis entsprechender Techniken sein kann, sondern Vertrauen auf der Grundlage einer therapeutischen Beziehung voraussetzt.
Wichtig ist, dabei zu berücksichtigen, dass traumatisierte Personen dissoziative Phänomene als beängstigenden Einbruch in ihre "Realität" erleben können. Versatzstücke der traumatisch erlebten Erfahrung können auftauchen und ihr Erleben bestimmen. Selbstverständlich kann dies auch durch eine Hypnose bzw. in der Hypnose ausgelöst werden. Das theoretische und Erfahrungs-Wissen der therapeutischen Hypnose ist in solchen Fällen extrem hilfreich, da es ermöglicht, damit zu arbeiten bzw. die aufgetretenen Phänomene zu utilisieren, um Schutz zu geben und vor allem auf eine schonende und gründliche Re-Orientierung im "Hier und Jetzt" hinzuarbeiten.
Zur Sicherung des Patienten/Klienten bei allen biografischen Recherchen (bzw. sogenannten "Vertiefungs"-Techniken) ist darum zu fordern bzw. darauf zu achten, dass als Ausgangspunkt der Reise in die Innenwelt die Sicherheit der Therapiesituation im "Hier und Jetzt" der Außenwelt genommen wird. Zusätzlich sollte eine optimale "innere" Erfahrung gewählt bzw. gefunden werden. Bei dieser Technik, einen "Ort der Ruhe und Gelassenheit, der Sicherheit und ..." ("safe place", "safest place"), sollte unbedingt auf die möglichst intensiv erlebte Repräsentation dieses sichernden Erlebens auf allen "Sinneskanälen" (Sehen, Hören, Spüren, ggf. auch Riechen und Schmecken - visuell, auditiv, kinästhetisch, olfaktorisch, gustatorisch / vakog) geachtet werden. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass ich dabei unbedingt auf entsprechende ideomotorische Bestätigungen (z.B. durch Fingersignale) vertrauen kann. -
Utilisation
Sehr verkürzt ausgedrückt: Alle Hypnose-/Trance-Phänomene, seien sie suggestiv induziert oder spontan aufgetreten, werden für vereinbarte oder aus professioneller Sicht angemessen erscheinende therapeutische Ziele utilisiert.
Techniken, die ideomotorische Phänomene (z.B. Fingersignale, Handlevitation u.ä.) verwenden, haben sich klinisch bewährt (14, 15, 16). Vor allem das Erleben der Dissoziation kann dadurch sehr konstruktiv gestaltet werden. Die unwillkürliche Aktivität (z.B. der Finger, der Hand) zeigt an, dass auf nicht bewusster Ebene eine Kooperation besteht. Die Bewegungen scheinen dem Zugriff des kritischen Bewusstseins entzogen bzw. werden (z.T. erstaunt bis amüsiert) toleriert. Sie wirken für Patienten/Klienten schon alleine dadurch überzeugend, dass es ja der eigene Körper ist, der reagiert und unterstützend und klärend mitarbeitet. Die ideomotorischen Phänomene werden so zum äußeren Zeichen einer sehr komplexen inneren Erfahrung und können damit zu einer angemessenen Steuerung der Zusammenarbeit mittels oder in therapeutischer Hypnose dienen.
Die angestrebten Behandlungsziele werden im jeweiligen Berufsfeld vom therapeutischen Arbeitsbündnis bestimmt: Über die Veränderung bzw. Kontrolle einer bestimmten Beschwerdesymptomatik (speziell im medizinischen, zahnmedizinischen und psychosomatischen Bereich) bis hin zu komplexen psychotherapeutischen Aufgabenstellungen und Themen (z.B. die Bearbeitung von Konflikten auf der Beziehungsebene und insbesondere die Recherche zu bzw. Aufarbeitung von traumatischen Erfahrungen). -
Posthypnotische Suggestionen
Auch wenn nicht sicher ist, ob in Hypnose gegebene Suggestionen generell eher befolgt werden als die im Wachzustand gegebenen: Die direkte und indirekte Förderung therapeutisch angemessener zukünftiger Erwartungen ist ein wesentliches Element der therapeutischen Hypnose. Typischerweise werden solche Suggestionen in der "tiefsten" Phase der Hypnose gegeben, unter der Annahme, dass zu diesem Zeitpunkt die vermutlich höchste Akzeptanz auf der nicht bewussten Ebene besteht. Oft wird dies noch verstärkt durch direkte und indirekte Suggestionen einer vollständigen oder teilweisen Amnesie. Spätestens an diesem Punkt wird wieder deutlich - nicht nur für den Fall, dass der Therapeut es mit einem hochsuggestiblen Patienten/Klienten zu tun hat - welch hohe ethischen und professionellen Anforderungen an diese Vorgehensweise geknüpft sind. -
Reorientierung
Alle Effekte, die daran hindern könnten, sich nach einer Hypnose wieder mit klarem Kopf in der "äußeren" Realität zu orientieren und adäquat zu verhalten, müssen zurückgenommen werden. Die therapeutischen Effekte (insbesondere auch posthypnotische Suggestionen) dagegen sollen erhalten bleiben. Es liegt in der Kunst und Verantwortlichkeit des Therapeuten, dafür Sorge zu tragen bzw. sich persönlich davon zu überzeugen. Für die therapeutische Hypnose (ganz anders als der in dieser Hinsicht ausgesprochen verantwortungslos gehandhabten Bühnenhypnose) ist dies eine sachliche und juristische Selbstverständlichkeit.
So wie es sicherlich Therapeuten gibt, die zwar befugt sind, mit Hypnose zu arbeiten, dies aber fehlerhaft und unethisch tun, mag es durchaus Personen geben, die erfolgreich und ethisch korrekt mit Hypnose arbeiten, aber eigentlich nicht dazu befugt sind. Der prinzipiell entscheidende Unterschied liegt darin: Ärzte und Psychotherapeuten sind gesetzlich - ob mit oder ohne Hypnose - dazu verpflichtet und können juristisch belangt werden. Schwierig einzuschätzen ist die große Grauzone der Verwendung von Hypnose durch andere Behandler. So ist es in Deutschland möglich, nach einer bestandenen Prüfung am Gesundheitsamt (schriftlicher wie mündlicher Nachweis von wesentlichen Psychiatriekenntnissen sowie der Kenntnis von Gesetzes- und Verwaltungsverordnungen im Falle psychiatrischer Notfälle) psychotherapeutische Behandlungen durchzuführen. Dies gilt sogar für den Fall, dass keinerlei psychotherapeutische Ausbildung, geschweige denn Selbsterfahrung, absolviert wurde. Hier ist die Prüfung von Kompetenz und Vertrauenswürdigkeit letztlich nur durch Ausprobieren, im vielleicht riskanten "Selbstversuch" möglich. Strikt abzulehnen ist die Ausbildung von Laien zu sog. Hypnose-"Therapeuten" - auch wenn die Hypnose nicht für sich in Anspruch nehmen kann, ein klar definiertes und geschütztes Therapieverfahren zu sein.
Letztendlich gibt es keinen hundertprozentigen Schutz vor einem Missbrauch von Hypnose-Phänomenen. Viel wichtiger sind sicher deren "naiv" verursachte, negativen Auswirkungen: Jeder Patient / Klient, der sich in Behandlung begibt, übergibt einen Teil der Verantwortung an die Autorität seiner Therapeuten und wird damit hoch-suggestibel, auch ohne formelle Trance-Induktion. Wir nennen es "Placebo" (in der Sprache der Hypnose: "implizite und explizite positive Suggestionen und Auto-Suggestionen"), wenn es so wirkt, wie gewünscht. Dies spielt in jeder Art von Therapie eine entscheidende Rolle, selbst bei der Gabe hochwirksamer Medikamente. Extrem beunruhigend ist es aber, sich mit der möglichen Kehrseite dieses Phänomens auseinanderzusetzen. Warum sollte nicht das, was wir sagen und wie wir es sagen, vom Patienten wörtlich (miss-) verstanden werden können bzw. sich im Extremfall wie schwarze Magie auswirken? Es ist nicht auszuschließen, dass eine ärztliche Aussage über die wahrscheinliche Überlebenszeit in Wochen oder Monaten sich in einer bestimmten Lebenssituation und unter besonderen emotionalen Bedingungen in eine imperative (Auto-)Suggestion verwandelt.
Zurück zur positiven Seite der Wirksamkeit ärztlicher bzw. therapeutischer "Autorität". Mit den in diesem Buch vorgelegten Berichten - manche mögen es "Angler-Latein" nennen - könnten wir auch Gefahr laufen, einer Mystifikation der Hypnose Vorschub zu leisten. Das ist nicht unsere Absicht. Im Gegenteil: Durch die möglichst nüchternen und pragmatischen Beschreibungen dessen, was im gegebenen Fall gesagt und getan wurde, wollen wir die kritische Diskussion darüber fördern, was wir eigentlich Hypnose nennen und worin das Eigentümliche bzw. Wirksame dieser Vorgehensweise besteht. Woran könnte es liegen, dass solche bemerkenswerten Effekte doch so oft zu erzielen sind, dass es nüchterne Kliniker verblüfft und in vielen Fällen ungläubiges Staunen auslöst?
Um den Vergleich mit dem stolz präsentierten Riesenfisch an der Angel, mit dem sich jeder gerne fotografieren lassen würde, wieder aufzunehmen: Wir wissen sehr wohl um das harte Leben der Fischer, die jeden Tag mit dem Boot raus fahren und manchmal nicht einmal das täglich Notwendige in ihren Netzen finden bzw. nach Hause bringen können. Wir meinen aber auch wie andere Autoren (17) - gestützt auf eine Vielfalt von Fallberichten aus sehr unterschiedlichen Bereichen der ärztlichen und psychotherapeutischen Tätigkeit - eine professionelle Diskussion über das "Für und Wider" der Anwendung von Hypnose fördern zu können. Wir wollen dazu anregen, selbstkritisch zu ermitteln und abzuwägen, welchen Stellenwert die Hypnose und/oder die Selbst-Hynose in einem Gesamt-Therapiekonzept für eine gegebene Symptomatik, Erkrankung oder Störung haben könnten. Unser Staunen über das therapeutische Potential der Hypnose - worin dies auch immer bestehen mag - ist nach vielen Jahren der Beschäftigung mit diesen Phänomenen eher gewachsen, als dass es abgenommen hat.
Ich hatte ursprünglich erwogen, allen angeschriebenen Autoren vorzuschlagen, an Hand eines weiteren Beispiels zu erläutern, warum in einem vergleichbaren Fall die bzw. "ihre" Art von Hypnose nicht funktioniert hat. Das Buch hätte damit sowohl von der praktischen Anschaulichkeit als auch wissenschaftlich sicher sehr gewonnen - wäre dann aber vermutlich bis heute nicht zustande gekommen. Vielleicht ein Projekt für eine weitere Auflage.
Literatur:
(1)
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Peter, B.: Zur Geschichte der Hypnose in Deutschland. In: Hypnose und Kognition
"Zur Geschichte der Hypnose", Band 17 (Oktober 2000) |
(2)
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Lynn, St., Rhue, J.: Theories of Hypnosis - Current Models and Perspectives.
The Guilford Press, New York / London (1991) |
(3)
|
Peter, B., Revenstorf, D. (Hrsg.): Hypnose in Psychotherapie, Psychosomatik u. Medizin
Springer Verlag, Berlin / Heidelberg / New York (2001) |
(4) | Kossak, H.: Hypnose - Ein Lehrbuch. Beltz Psychologie Verlags Union (2004) |
(5)
|
Revenstorf, D.: Expertise zur Beurteilung der wissenschaftlichen Evidenz der
Psychotherapieverfahren: Hypnotherapie (Gutachten im Auftrag von MEG und DGH). Selbstverlag (2003) |
(6)
|
Ebell, H.: Hypnose in der ärztlichen Psychotherapiepraxis.
Wien. Med. WSchr. 2003; 153; 174-177 |
(7)
|
Watzlawick, P., Weakland, J., Fisch, R.: Lösungen - Zur Theorie und Praxis
menschlichen Wandels. Hans Huber Verlag, Bern (1974) |
(8)
|
Bejenke, Chr.: Painful Medical Procedures (S. 209-266);
in Barber, J.: Hypnosis and Suggestion in the Treatment of Pain - A clinical Guide. W.W. Norton & Co., New York / London (1996) |
(9)
|
Edgette, J., Edgette J.: The Handbook of Hypnotic Phenomena in Psychotherapy.
Brunner / Mazel Publishers, New York (1995) |
(10)
|
Zindel, Ph.: Hypnose als Werkzeug therapeutischer Nähe.
In: Experimentelle und Klinische Hypnose Bd.X, Heft 1, S. 23-33 (1994) |
(11)
|
Stolorow R., Brandchaft, B., Atwood, G.: Psychoanalytische Behandlung - Ein
intersubjektiver Ansatz. Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt/Main (1996) |
(12)
|
Orange, D., Atwood, G., Stolorow, R.: Intersubjektivität in der Psychoanalyse
- Kontextualismus in der psychoanalytischen Praxis. Brandes und Apsel, Frankfurt/Main (2001) |
(13)
|
Brown, P.: The Hypnotic Brain - Hypnotherapy and Social Communication.
Yale University Press, New Haven / London (1991) |
(14)
|
Cheek, D.: Hypnosis - The Application of Ideomotor Techniques.
Allyn and Bacon, Boston (1994) |
(15)
|
Kaiser Rekkas, A.: Klinische Hypnose und Hypnotherapie.
Carl Auer Systeme, Heidelberg (1998) |
(16)
|
Kaiser Rekkas, A.: Die Fee, das Tier und der Freund - Hypnotherapie
in der Psychosomatik. Carl Auer Systeme, Heidelberg (2001) |
(17)
|
Dowd, E., Healy, J.: Case Studies in Hypnotherapy.
The Guilford Press, New York / London (1986) |